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Interview

Potenziale von HEMS nutzen 

Energieoptimierung im Gebäudebetrieb: Interview mit Christian Wehrmaker 

Der Weg zur Energiewende wird an deutschen Stammtischen ebenso leidenschaftlich diskutiert wie im Plenarsaal. Neben den großen, offensichtlichen infrastrukturellen Lösungen wie Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen sind auch die im Hintergrund liegenden, intelligenten Lösungen zum Thema Energiesparen und Optimieren das Zünglein an der Waage. Christian Wehrmaker beschäftigt sich tagtäglich mit Themen wie dem ganzheitlichen Vernetzen von Lösungen, der Integration erneuerbarer Energien und der Energieoptimierung im Gebäudebestand.

Christian Wehrmarker

Herr Wehrmaker, wie steht es momentan um das Thema Energie und Wohnen in Deutschland? 

Wehrmaker: Selten wurde hierzulande so über dieses Thema diskutiert wie in den letzten 20 Monaten; es ist wohl endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir kommen nicht darum herum, unseren Energieverbrauch zu reduzieren und erneuerbare Energiequellen zu nutzen – das wissen wir schon lange und dennoch sind wir noch lange nicht so weit, wie wir sein könnten. Etwa 35 % des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland entfallen auf Gebäude. Davon werden knapp 40 % in Ein- und Zweifamilienhäusern verbraucht, ein gutes Viertel in Mehrfamilienhäusern (Quelle: dena, 2023). Auf diese 25 % lohnt sich ein genauerer Blick.

Inwiefern, was macht den Mehrfamilienhaus-Sektor so interessant? 

Wehrmaker: Dem Energiemanagement in Mehrfamilienhäusern kommt eine entscheidende Rolle zu, die derzeit noch zu wenig Beachtung in der öffentlichen Diskussion findet.

Das Energiemanagement im Mehrfamilienhaus oder auch das Home Energy Management System (HEMS) hat die Koordination und Steuerung der Energieflüsse in Gebäuden mit mehreren Wohnungen im Fokus.

Was heißt das konkret? Zuerst soll so der Energieverbrauch von Gebäuden reduziert werden – und gleichzeitig der Anteil der erneuerbaren Energie an der noch benötigten Energie maximiert werden. Ein weiterer Nutzen von HEMS liegt in der Integration von Gebäuden in das Stromnetz um sie, als dann netzdienlicher Teil, flankierend zur Netzstabilisierung zu nutzen. Das ist aber im Gebäudebestand und den bestehenden Netzen eine große Herausforderung. 

Quelle: Umweltbundesamt 2023

Und wie kommen wir dorthin, wie sieht das konkret aus? 

Wehrmaker: Im ersten Schritt ist es nicht immer sinnvoll, direkt eine PV-Anlage oder Wärmepumpe zu installieren, sondern zuerst Transparenz über die Energiebilanz eines Gebäudes herzustellen. Über intelligente Messtechnik sowohl in den Wohnungen als auch im Technikraum (u.a. Heizanlage oder Stromzähler) kann dies im laufenden Betrieb kontinuierlich und automatisiert belastbar geschaffen werden. Mithilfe der Transparenz kann ohne großen Aufwand aber größtmöglicher Sicherheit oftmals schon eine Absenkung der Vorlauftemperatur erreicht werden. Damit sind Einsparungen von 10 bis 15 % möglich. Diese Transparenz liefert dann wiederum eine belastbare Basis für eine spätere Erweiterung um z. B. der Umrüstung auf eine Wärmepumpe, da genau bekannt ist, welcher Wärmebedarf im Gebäude besteht.  

Ein optimiertes, ganzheitliches Energiemanagement leistet darüber hinaus einen erheblichen Beitrag für diverse Ziel der Energiewende – indem es die Integration erneuerbarer Energiequellen fördert, mehr Elektromobilität in der Breite ermöglicht und damit das Stromnetz entlasten kann. Das kommt uns allen in Form von möglichen sinkenden Netzentgelten, und letztlich natürlich auch der Umwelt, zugute.   

Herr Wehrmaker, was braucht es für ein HEMS, ein Home Energy Management System? 

Wichtig für ein funktionierendes HEMS ist das Zusammenspiel mehrerer Komponenten, die fein aufeinander abgestimmt sein müssen, um ihre volle Wirkkraft zu entfalten.

Wehrmaker: Wie gesagt: Der erste notwendige Schritt ist z. B. das Smart oder auch Multi-Metering, das kontinuierlich Daten über die Energieflüsse im Gebäude liefert, zusammen mit der Integration wesentlicher lokaler Komponenten wie PV-Anlage, Wärmepumpe oder Ladeinfrastruktur. Entscheidend ist dann, was mit den Verbrauchs- und Gebäudedaten passiert: Wie werden sie ausgelesen und interpretiert, welche Rückschlüsse lassen sich auf den energetischen Zustand des Gebäudes ziehen und wie nutzt man diese Erkenntnisse zum Steuern im Gebäude? Dabei sollten Gebäudeeigentümer und -betreiber auch aktiv die Bewohner involvieren. Die Installation von intelligenten Zählern ermöglicht es ihnen, ihren Energieverbrauch in Echtzeit zu überwachen und z. B. zu sehen, wann genügend PV-Strom vorhanden ist. Das schafft Bewusstsein für den individuellen Energieverbrauch und hilft, ineffiziente Verhaltensweisen zu erkennen. Dafür brauchen die Bewohner das entsprechende Wissen und Handlungsempfehlungen, sonst nutzt die beste Datenvisualisierung nichts. 

Infografik_home-energy-management-system

Welches weitere Potential schafft die Nutzung eines HEMS? 

Wehrmaker: Um die Energiewende zügig und auf allen Ebenen umzusetzen, müssen wir uns neben dem Energiesparen auf die Integration der erneuerbaren Energien im zeitlichen Verlauf fokussieren. Gerade in Mehrfamilienhäusern schlummert hierfür ein riesiges Potenzial, durch eine lokale Energieerzeugung und -speicherung und der Möglichkeit bestimmte Lasten zu verschieben.  

Ein weiteres Beispiel ist das Steuern der Energieverbräuche in Echtzeit: also, dass beispielsweise die Bereitstellung erneuerbarer Energie mit den Wärmepumpen oder dem Laden von Elektrofahrzeugen so verzahnt wird, dass der Bezug von (hauseigener) Energie aus erneuerbaren Energiequellen maximiert wird. Hier wird deutlich, wie fein abgestimmt sämtliche Komponenten sein müssen – zwischen Erzeugung und dem Timing im Verbrauch, aber auch zwischen technischer Infrastruktur und Mensch. Gerade in energetisch volatilen Zeiten bringt das viel Sicherheit. Im Hinblick auf Stromkosten, aber auch für die Netzstabilität. Genauso, wie das Gebäude als Stromspeicher genutzt werden kann ist auch möglich, den optimalen Zeitpunkt für das Laden von Elektroautos oder den Betrieb von Waschmaschinen oder Wärmepumpe zu wählen. 

Stichworte Energieversorgung und Netzstabilität, gibt es weiteren Nutzen durch HEMS für die Gemeinschaft?  

Wehrmaker: Ist der Verbrauch erneuerbarer oder lokal gewonnener Energie nicht möglich, ergibt sich durch das HEMS und dessen transparente Informationen ein weiterer Vorteil: das Nutzen von dynamischen Tarifen. Bei einem Überschuss an erneuerbaren Energien im Stromnetz sind die Börsenstrompreise in der Regel sehr günstig. Hier setzt das HEMS an und verlagert automatisiert den Ladevorgang in besonders günstige Zeiten unter Berücksichtigung der Nutzerbedarfe. Gleiches gilt für die Wärmepumpe, die in Zeiten eines Stromüberschusses höher takten kann, um Wärme im Gebäude zu speichern. 

Haus eines Dezentralkonzeptes

Auf Gebäude als Stromspeicher zu setzen, klingt interessant. Wie realistisch ist das, stand jetzt, jetzt, in Deutschland? 

Wehrmaker: Wir haben heute so viele Potenziale, die ungenutzt da liegen. Es lohnt sich, hier vernetzt und größer zu denken. Ich habe eben davon gesprochen, dass sich entsprechend ausgestattete Gebäude auch als Speicher nutzen lassen. Gerade in dicht besiedelten Quartieren ergibt sich hier eine große Chance. Stichwort: Verbund von steuerbaren Lasten

So ist es auch denkbar, mehrere HEMS zusammenzuschließen und dem Netzbetreiber als steuerbare Lasten zur Verfügung zu stellen.

Insbesondere bei Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur ist es in der Regel ohne Komfortverlust für die Nutzer möglich, den Stromverbrauch zu senken, Lasten abzuwerfen, und somit auf die durch erneuerbare Energien hervorgerufene volatile Stromerzeugung zu reagieren.

So können zu Spitzenzeiten bspw. auch solche HEMS-Zusammenschlüsse einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Netzstabilität und Energieversorgung leisten – das ist ein Aspekt über den es sich wirklich nachzudenken lohnt.  

 Herr Wehrmaker, herzlichen Dank für das informative Gespräch.

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Nelly Bubenheim

Senior Managerin CSR, noventic group

Nelly Bubenheim leitet den Bereich Nachhaltigkeit. Sie verantwortet die Weiterentwicklung der gruppenweiten Nachhaltigkeitsstrategie und die Berichterstattung über die Aktivitäten und Maßnahmen in diesem Bereich.

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