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Interview

Stephan Kiermeyer wohnungswirtschaft energieeffizienzrichtlinie

Wie die Energieeffizienzrichtlinie die Wohnungswirtschaft verändert

Das Klimakabinett tagt in dieser Woche zu seiner ersten Sitzung: Aufgabe des neu geschaffenen Gremiums ist es, Gesetzesvorlagen zu erarbeiten, mit denen Deutschland seine Klimaziele für 2030 und 2050 einhalten kann. Welche neuen Gesetzesinitiativen das neue Klimakabinett auf den Weg bringen wird, ist noch fraglich. Auch, ob die Bundesregierung Klimaschutz damit endlich zur Priorität macht und die notwendigen Maßnahmen schnell auf den Weg bringen wird. Das wird auch Zeit. Denn der im Februar veröffentlichte Klimaschutzbericht des Umweltministeriums zeigt: Deutschland tut nicht genug, um die Klimaschutzziele 2020 zu erreichen. Um den Klimaschutz ambitionierter voranzutreiben, sind gesetzliche Maßnahmen unumgänglich.

Gesetzesinitiativen wie die EED sollen dabei helfen, die Klimaveränderung zu begrenzen und eine effizientere Nutzung von Energie zu fördern. Die novellierte EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) ist Ende letzten Jahres im EU-Ministerrat verabschiedet worden. Wesentlicher Bestandteil der neuen Richtlinie sind das Bereitstellen unterjähriger Verbrauchsinformationen für Wohnungsnutzer sowie der verpflichtende Einsatz von Funkmesstechnik in der Verbrauchserfassung. Was bedeuten die ambitionierten Ziele der Energieeffizienzrichtlinie Novelle für die Wohnungswirtschaft? Gibt es Handlungsbedarf? Stephan Kiermeyer, Geschäftsführer der noventic-Tochter KALO, gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.

Herausforderungen der Wohnungswirtschaft: KALO-Chef Kiermeyer im Interview

Herr Kiermeyer, welche Verpflichtungen und Herausforderungen kommen mit der Novellierung auf die Wohnungswirtschaft und auf die KALO zu?

Mit der Novellierung der EED wird Funkmesstechnik in der Wohnungswirtschaft Pflicht. Wenn die Energieeffizienzrichtlinie am 25. Oktober 2020 in nationales Recht umgewandelt ist, gilt: Werden in einer Liegenschaft neu installierte Zähler und Heizkostenverteiler installiert, müssen diese fernauslesbar sein – unter der Voraussetzung, dass dies technisch machbar, kosteneffizient und im Hinblick auf Energieeinsparungen verhältnismäßig ist. Sind bereits nicht funkende Zähler oder Heizkostenverteiler installiert, müssen diese bis 2027 nachgerüstet oder ersetzt werden. Eine weitere Herausforderung für die Immobilienwirtschaft: Ab 2022 müssen den Mietern auch unterjährig Informationen über ihre Energie- und Wasserverbräuche an die Hand gegeben werden, vorausgesetzt, die erforderliche Messtechnik ist im Haus verfügbar. Damit ist die Energieeffizienzrichtlinie Anstoß für grundlegende Veränderungen in der Wohnungswirtschaft: Nur über eine digitalisierte Gebäudeinfrastruktur können die Anforderungen der Direktive erfüllt werden. Herkömmliche Ablese- und Abrechnungssysteme können dies nicht mehr leisten. Eine Umstellung zu einer funkbasierten Fernablesung und Abrechnung von Verbräuchen wird also über kurz oder lang auf jeden Bestandshalter zukommen. Um neue Geräte nicht vor ihrer Zeit austauschen zu müssen, sollte bei einem anstehenden Zählertausch jetzt schon auf Funktechnik gesetzt werden – denn die Lebensdauer von Heizkostenverteilern beträgt in der Regel zehn Jahre. Kaltwasserzähler haben eine Eichfrist von sechs, Warmwasser- und Wärmezähler von fünf Jahren. Diese regulatorische Pflichterfüllung birgt aber auch neue Möglichkeiten: Die Infrastruktur kann zum Ausgangspunkt für die Digitalisierung in der Wohnungswirtschaft werden. Für neue Chancen, zum Beispiel für effizientere Prozesse, mehr energetische Einsparungen oder für eine direktere Vermieter-Mieter-Kommunikation.

Was verspricht sich der Gesetzgeber von den neuen Vorgaben und der daraus folgenden Digitalisierung der europäischen Wohnungswirtschaft?

Die neuen Vorgaben der EU sollen zunächst einmal helfen, die Klimaziele über den Hebel der Effizienzgewinne zu erreichen. Das Ziel: zusätzliche Energie-Einsparpotenziale nutzen. Denn, um die Klimaziele zu erreichen, muss der EU-weite Energieverbrauch bis 2030 um 32,5 Prozent gegenüber dem noch 2007 prognostizierten Verbrauch sinken. Zudem sollen die Chancen der Digitalisierung auch für die Wohnungswirtschaft erschlossen werden: Digitalisierte Infrastrukturen verschlanken wohnungswirtschaftliche Prozesse, unterjährige Verbrauchsabrechnungen machen unmittelbar die Energieverbräuche transparenter und ermuntern Bewohner Energie zu sparen. Darüber hinaus werden durch die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft interoperable Systeme in den Häusern Einzug halten. Für die Branche führt das zu mehr Freiheiten in der Wahl ihrer Dienstleister oder sichert die Hoheit über die Gebäudedaten.

Haben unterjährige Verbrauchsinformationen denn tatsächliche Vorteile für den Mieter?

Unterjährige Verbrauchsinformationen sollen Hausbewohner beim Energiesparen unterstützen – denn wenn man nur einmal im Jahr seine Verbrauchsdaten in Form einer Abrechnung bekommt, ist das zu spät, um das eigene Verbrauchsverhalten anpassen zu können. Um die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft in diesem Punkt weiter voranzutreiben, können individuelle Verbräuche unmittelbar über eine Verbrauchsvisualisierung per App mit dem Mieter geteilt werden. Über die App kann der Mieter seine Energieverbräuche auslesen und bei Verbrauchsspitzen bewusster das eigene Verhalten reflektieren. Zudem ermöglichen funkbasierte Messsysteme die Fernablesung von Verbräuchen ganz ohne Betreten der Wohnung – auch für die Hausbewohner ist das viel komfortabler. Übrigens: Dass das eigenverantwortliche Verbrauchsverhalten eine zentrale Rolle beim Energiesparen spielt, belegt die seit 1981 in Deutschland geltende Heizkostenverordnung. Seit der individuellen Abrechnung von Heizkosten in Mehrfamilienhäusern ist der CO2-Ausstoß in Gebäuden deutlich gesunken.

Sie haben über zusätzliche Mehrwerte gesprochen, die sich aus der Digitalisierung der Wohnungswirtschaft ergeben. Können Sie das konkretisieren? Wie kann sich die Pflicht zur Funkmesstechnik verbunden mit der unterjährigen Verbrauchsinformation auch für den Bestandhalter lohnen?

Ja, für Bestandshalter eröffnen sich mit der Pflicht zu funkbasierten Ablesesystemen auch Chancen, die über das reine Metering hinausgehen: Der Einbau einer digitalen und fernauslesbaren Infrastruktur mit interoperabler Gerätetechnik sichert dem Bestandshalter Entscheidungsfreiheit für die Zukunft. Kommende Innovationen können in einem interoperablen System problemlos und herstellerunabhängig integriert werden. Ein weiterer praktischer Nutzen: Die Koordination von Ableseterminen entfällt. Funkbasierte (AMR) und interoperable (OMS) Systeme, wie sie bei Geräten von QUNDIS zum Einsatz kommen, sorgen für eine Infrastruktur, aus der zusätzliche Mehrwerte generiert werden können. Beispielsweise erlaubt eine Visualisierung der Verbrauchsdaten über die App „Cards“ der noventic Tochter KeepFocus ein promptes Auslesen der Verbrauchsdaten, ein weiterer wichtiger Aspekt in der Digitalisierung der Wohnungswirtschaft. Eine Anwendung wie „Cards“ hält noch weitere Vorteile für den Bestandshalter bereit: So können über intelligente Algorithmen Warnungen vor Schimmel oder einer Leckage ausgesprochen werden – und die Bausubstanz so nachhaltig geschützt werden. Auch der Grundstein für eine Bündelung des Submeterings und Smart Meterings über ein Smart Meter Gateway wird durch die vernetzte Infrastruktur gelegt: Als Full-Service Messdienstleister verbindet KALO hierzu die eingesetzte Funktechnologie über ein CLS Device mit einem Smart Meter Gateway und kann so sämtliche Verbrauchsdaten zentral sammeln und auswerten. Die entstehenden Bündelangebote sind der Schlüssel für effizientere Prozesse für die Wohnungswirtschaft und die Energieeffizienzrichtlinie ist der Anstoß für die Veränderungen.